BUCH DES MONATS SEPTEMBER 2005
Joseph Bellinger
Himmlers Tod
Freitod oder Mord?
Die letzten Tage des Reichsführers SS
BUCH DES MONATS SEPTEMBER 2005
Joseph Bellinger
Himmlers Tod
Freitod oder Mord?
Die letzten Tage des Reichsführers SS
400 S., geb., viele meist farb. Abb.
"Wenn wir anfangen, mit den klugen Dingen zu prahlen, die wir getan haben, wer weiß, was dann geschieht?
Darum heißt es schweigen."
Sefton Delmer
"Wenn die Stunde der Befreiung in Europa schlägt - und sie wird schlagen -,
wird sie zugleich auch die Stunde der Vergeltung sein."
Winston Churchill
"Müßte ein britischer Soldat, der Hitler aufspürt, ihn erschießen oder versuchen, ihn lebend gefangenzunehmen?!"
Eden: "Ich darf Ihnen gerne mitteilen, daß ich das dem Urteil des betreffenden britischen Soldaten überlasse."
Anthony Eden
"Unsere Aufgabe ist es, sie zu töten. Das ist es, was wir tun müssen. Wenn wir sie ersteinmal umgebracht haben,
können wir immer noch sehen, ob sie anständige Kerle sind oder nicht. Doch zuerst müssen sie umgebracht werden."
Feldmarschall Montgomery
Sehr geehrte Damen und Herren,
die zeitgeschichtliche Diskussion um die Todesumstände Heinrich Himrnlers im Mai 1945 hat in den letzten Wochen hohe Wellen geschlagen. Der britische Autor Martin Allen hatte in seinem im Mai in England erschienenen Buch "Himmler‘s Secret War" einige Dokumente veröffentlicht, die Mordauftrag und Vollzugsmeldung durch britische Geheimdienstagenten - mit Wissen Winston Churchills - belegen sollten. Die Dokumente stammten aus dem hochangesehenen britischen Nationalarchiv PRO (Public Record Office). Inzwischen schlagzeilte BILD: "Himmler-Akten in London gefälscht" (4.Juli. Der britische Daily Telegraph hatte Zweifel an der Echtheit der Dokumente geäußert und ein Gutachten in Auftrag gegeben. Inzwischen erklärt auch das PRO selber, daß die Dokumente sich tatsächlich in einem Konvolut jüngst freigegebener Akten in seinem Hause befinden - trotzdem soll es sich um neuzeitliche Fälschungen handeln.
Joseph Bellinger, der kalifornische Autor des Buches "Himmlers Tod" hat die inkriminierten Dokumente in seinem Werk nicht verwendet, denn sie tauchten erst nach Abschluß seines Manuskriptes auf. Trotzdem hat er die Geschichte um das Auftauchen dieser Dokumente und ihre plötzliche Entlarvung als angebliche Fälschungen in einen Nachtrag seines Buches aufgenommen. Denn diese dubiose Geschichte fügt sich nahtlos in das Schema systematischer Vertuschung und Fälschung im Falle "Himmlers Tod" durch britische Dienststellen seit 1945 ein.
Was geschah wirklich am 23. Mai 1945 im Verhörzentrum des Hauptquartiers der 2. britischen Armee in der Uelzener Str. 31a in Lüneburg? Himmlers unbeschädigte Zyankalikapsel befand sich längst in der Hand seiner Häscher. Und ein Verhör war nie geplant. Keine 48 Stunden zuvor war einer der wichtigsten Mitarbeiter Himmlers, der Leiter der Organisation "Werwolf", SS-Obergruppenführer Hans-Adolf Prützmann, im exakt gleichen Erkerzimmer der Uelzener Str. 31a von britischen Agenten vom Leben zum Tode befördert worden. Seine Leiche ließ man verschwinden, offizielle Todesversion: Tod durch Zyankali. 23. Mai, 21 Uhr: jetzt war Himmler an der Reihe. Als der durch "Selbstmord mittels Zyankali" Dahingeschiedene am Boden lag, hatte er eine gebrochene Nase, Hämatome an Kopf und Hals, eine zerbrochene Brille, und eine Blutlache breitete sich am Boden aus. Aber jeglicher Hinweis auf Zyankali fehlte an der Leiche. Leichenfotos und Obduktionsbefunde belegen dies alles. Der Leichnam wurde an unbekanntem Ort in der Lüneburger Heide verscharrt.
Welchen Unterschied macht es 60 Jahre danach, ob der Herr über das Konzentrationslagersystem in Deutschland auf die eine oder andere Art sein Leben beendete? Zum einen offenbart der Mord die verschiedenen Strategien der Alliierten gegenüber dem besiegten Feind. Stalin wollte mindestens 50.000 Offiziere und Staats- sowie Parteifunktionäre kurzerhand liquidieren und nur einer größeren Gruppe von Hauptfunktionären einen kurzen, aber spektakulären Schauprozeß bereiten, an dessen Ende deren Todesurteile stehen sollten. Die Amerikaner planten einen halbwegs rechtsstaatlichen Prozeß gegen die sogenannten "Hauptkriegsverbrecher". Die Briten dagegen hatten die Absicht, eine größere Zahl von NS-Spitzenpolitikern unmittelbar bei deren Gefangennahme zu liquidieren und nur einzelnen von ihnen einen öffentlichkeitswirksamen Prozeß zu machen. Der tatsächliche historische Ablauf belegt, daß z.B. Göring, der den Amerikanern in die Hände fiel, lebend vor Gericht kam und Himmler, den die Engländer faßten, sterben mußte. Das Ganze offenbart in entlarvender Weise das Rechtsverständnis derer, die vorgaben, mit hehren Zielen den Unrechtscharakter des NS-Regimes bekämpfen zu wollen.
Warum wollten die Briten im Falle Himmlers keinesfalls einen Prozeß? Bellinger arbeitet dokumentarisch exzellent belegt die psychologische Strategie der Engländer heraus, das deutsche Volk grundlegend von seiner politischen Führung zu trennen. Dabei schien die SS mit ihrer Losung "Meine Ehre heißt Treue" besonders geeignet. Die britische Propaganda geißelte: Während jeder SS-Mann von Himmler angehalten war, sich moralisch besonders vorbildlich zu verhalten, hatte er selbst - Himnmler - im Osten einen geheimen Massenmord an Juden inszeniert. Das "Vorbild" Reichsführer SS degenerierte zum gemeinen "Mörder". Fast noch schlimmer: Nach dem Ende des Dritten Reiches ließ Himmler alle Mitglieder von SS und Waffen-SS die Konsequenzen seiner eigenen Verbrechen tragen - jedes Mitglied wurde zum Angehörigen einer "verbrecherischen Organisation". Lager, Prozesse, Bestrafung warteten auf sie. Währenddessen entzog er selbst sich seiner Verantwortung durch f eigen Selbstmord.
Der Erfolg dieser Strategie hing zentral davon ab, Himmler erfolgreich zum Schweigen zu bringen. Damit sicherten sich die Briten auch die alleinige Deutungshoheit über das Geschehen in den Lagern im Osten. Als Toter konnte Himmler der Öffentlichkeit nicht mehr erklären, warum er trotz des offensichtlichen Massenverbrechens an Juden in osteuropäischen Lagern bis zuletzt der Überzeugung war, er würde nach Hitlers Tod ein potentieller Partner für die Westmächte sein. Probleme sah er augenscheinlich nur mit der Rechtfertigung der Verhältnisse in Buchenwald, Dachau und Bergen-Belsen. Seine heimlichen Verhandlungen mit dem Ziel eines Sonderfriedens im Westen, selbst sein erstaunliches Treffen mit einem hochrangigen Vertreter des Jüdischen Weltkongresses noch am 19. April 1945 mußten durch Himmler unkommentiert bleiben. Denn Tote reden nicht.
Die Studie von Joseph Bellinger ist ein zeitgeschichtlicher Krimi, es gelingt dem Autor meisterhaft, bisher unbekannte Zusammenhänge offenzulegen und Widersprüche zu entlarven. Am Ende bricht das britische Kartenhaus aus Irreführung und Vertuschung zusammen: Kein Zweifel, Himmler wurde ermordet.
- Hannover