Unternehmerfamilie Reimann gibt Millionen an Schoa-Überlebende
Mit einer Stiftung übernehmen die Reimanns endlich Verantwortung und setzen sich für Zeitzeugen ein
12.12.2019
Die deutsche Unternehmerfamilie Reimann gibt zur Unterstützung von Holocaust-Überlebenden und zur »Entschädigung« für den Einsatz von Zwangsarbeiten in der Nazizeit eine Millionensumme aus. Fünf Millionen Euro gehen an die sich für Überlebende weltweit einsetzende Claims Conference.
Weitere fünf Millionen Euro sollen ausgegeben werden, um einstige Zwangsarbeiter zu finden und zu »entschädigen«, die das ehemalige Chemieunternehmen Benckiser einsetzte. Aus Benckiser ging Reimanns heutige Holding JAB hervor. Sie ist etwa 20 Milliarden Euro wert und an Unternehmen wie Krispy Kreme und Coty beteiligt.
LANDECKER Weitere 25 Millionen Euro jährlich werden laut JAB außerdem in Bildungsprogramme über den Holocaust und Demokratie fließen. Die Reimann-Familie rief dafür die Stiftung Alfred Landecker in Berlin ins Leben. Landecker war ein deutscher Jude, der von den Nazis getötet wurde und dessen Enkelkinder heute zusammen 45 Prozent der Anteile an JAB halten.
Benckiser wurde von Albert Reimann senior und seinem Sohn, Albert Reimann junior, geleitet. Beide waren Mitglieder der NSDAP, sie starben 1954 beziehungsweise 1984. Reimann junior hatte drei Kinder mit Emilie Landecker, der katholisch getauften Tochter des Juden Alfred Landecker.
Als die Gestapo diesen 1942 deportierte, arbeitete Emilie bereits als Angestellte für Reimann junior und auch nach dem Krieg tat sie das. Irgendwann in dieser Zeit begannen sie eine Affäre; das erste der drei Kinder kam 1951. Reimann hatte keine Kinder mit seiner Frau und adoptierte die drei 1965. Zwei von ihnen gehören zu den vier JAB-Gesellschaftern, das dritte ist nicht beteiligt.
WECKRUF Sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen, sei ein emotionaler Weckruf für die Familie gewesen, sagte David Kamenetzky in einem Telefoninterview der Nachrichtenagentur AP. Er ist der Verwaltungsratschef von JAB Investors sowie Vorsitzender des Alfred-Landecker-Stiftungsrates.
Im Laufe dieses Jahres hatte die Familie Details einer Untersuchung ihrer Nazi-Vergangenheit veröffentlicht. Den Erkenntnissen zufolge setzten Reimann senior und junior russische Zivilisten und französische Kriegsgefangene als Zwangsarbeiter ein. Schon früh waren sie Unterstützer der NSDAP und spendeten Geld an die SS, bevor Adolf Hitler an die Macht kam.
Laut Kamenetzky sind bislang 838 Menschen gefunden worden, die während des Kriegs zur Arbeit bei Benckiser gezwungen wurden. Keiner sei jüdisch gewesen oder aus Konzentrationslagern zu Benckiser geschickt worden. Nun solle festgestellt werden, wer von ihnen noch am Leben sei. Neben des Angebots einer finanziellen »Entschädigung« sollten sie gebeten werden, von ihren Erfahrungen zu erzählen. »Wir haben eine Verpflichtung, der Geschichte nachzugehen«, so Kamenetzky.
Die fünf Millionen Euro an die Organisation Claims Conference sind für deren Nothilfeprogramm für Holocaust-Überlebende in kurzfristigen finanziellen Krisen vorgesehen. Die Summe werde über die kommenden drei Jahre an 200 gemeinnützige Gruppen weitergegeben, sagte der Vizepräsident der Claims Conference, Greg Schneider.
Das Geld werde »eine riesige Auswirkung auf die Leben der ärmsten Holocaust-Überlebenden weltweit« haben. Die Organisation half in diesem Jahr rund 10 500 Überlebenden in 34 Ländern. Das zusätzliche Geld werde höhere Beihilfen oder Unterstützung für etwa 3000 weitere Überlebende ermöglichen.
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