Entzug der Gemeinnützigkeit von Verein der Nazi-Opfer stößt auf Kritik
Die Berliner Finanzverwaltung entzieht einem Verein von Nazi-Opfern die Gemeinnützigkeit und gefährdet so dessen Existenz. Auschwitzüberlebende und Politiker sind entsetzt.
24.11.2019
Berlin - Die Entscheidung der Berliner Finanzverwaltung, der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN-BdA) die Gemeinnützigkeit abzuerkennen, ist auf viel Kritik gestoßen. Neben Politikern meldete sich auch das Internationale Auschwitz Komitee zu Wort. Vor dem Hintergrund alltäglicher rechtsextremer Bedrohungen bezeichnete dessen Exekutiv-Vizepräsident Christoph Heubner die Entscheidung als Skandal, wie es in einer Mitteilung am Samstag hieß.
Deutschlands Ansehen werde beschädigt und das gemeinsame Engagement gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus erheblich geschwächt, so Heubner. Der VVN-BdA habe mit seiner Arbeit Generationen junger Menschen in Deutschland sozialisiert und politisiert. Die Vereinigung wurde von Überlebenden der deutschen Konzentrationslager nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet.
Das Berliner Finanzamt für Körperschaften I hatte dem Verein die Gemeinnützigkeit entzogen, weshalb ihm nun nach eigenen Angaben hohe Steuernachzahlungen drohen, die existenzgefährdend seien. In einem Schreiben des Finanzamts wird die Entscheidung damit begründet, dass der Verein in den Verfassungsschutzberichten Bayerns seit Jahren als linksextreme Vereinigung geführt wird.
Forderung an den Senat: Position beziehen
Die jüdische Gemeinde zu Berlin lehnte dieses Vorgehen ebenfalls ab. Es sei nicht hinnehmbar, wenn der Staat demokratisches Engagement gegen Rechtsradikale und Nazis sanktioniere, sagte der Beauftragte der Jüdischen Gemeinde gegen Antisemitismus, Sigmount A. Königsberg, am Samstag als Gast auf einem Parteitag der Berliner Linken. „Was ist das für ein Zeichen?“, fragte er. Der Senat müsse hier klar Position beziehen.
Linke-Fraktionschef Udo Wolf sagte auf dem Parteitag: „Die Entscheidung ist ein unglaublicher Skandal.“ Sie sei selbstverständlich keine Entscheidung der rot-rot-grünen Koalition. Wolf erinnerte daran, dass Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) die Fachaufsicht über die Finanzämter habe. Er sei sich sicher, dass niemand bei Rot-Rot-Grün das Vorgehen des Finanzamtes richtig findet. „Und wir werden auch versuchen, sie zu korrigieren.“
Die Grünen hatten die Entscheidung ebenfalls kritisiert: „Es ist absurd, dass einem Verein in Berlin die Gemeinnützigkeit aberkannt wird, nur weil eine nachgeordnete bayrische Behörde die Gemeinnützigkeit in Frage stellt“, erklärte Landesparteichef Werner Graf. Der Kampf gegen den Faschismus sei ein Kampf für das Gemeinwohl und für unsere Demokratie.
Unterdessen wies das Bundesfinanzministerium Kritik an geplanten Neuregelungen zur Gemeinnützigkeit von Vereinen zurück. Zielrichtung sei nicht eine „Bestrafung“, sondern der Schutz von Vereinen, die sich auch politisch engagieren, sagte ein Sprecher. Klargestellt werden solle, dass eine gemeinnützige Tätigkeit mit politischen Mitteln begleitet werden könne, ohne dass es negative Auswirkungen auf die damit verbundene Steuerbegünstigung habe. „Zum Beispiel soll ein Karnevalsverein, der sich etwa gegen einen Aufmarsch verfassungsfeindlicher Kräfte engagiert, zukünftig sicher sein, dass er seine Gemeinnützigkeit behält.“
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