Mindestens vier Familien flüchteten bis nach China

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ClaudiaRothenbach
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Mindestens vier Familien flüchteten bis nach China

Postby ClaudiaRothenbach » 1 decade 6 years ago (Tue Jun 27, 2006 2:40 am)

Sie sind, wo sie sind. Und wer hat dort schon gezählt:

Mindestens vier Familien flüchteten bis nach China
Wie das Wiesbadener Stadtarchiv die Erinnerung an die verfolgten und ermordeten Juden der Stadt wachhält
Vom 01.06.2006

WIESBADEN Das im Jahr 2001 im Stadtarchiv Wiesbaden initiierte Projekt "Namentliches Gedenken für die jüdischen Opfer des Nationalsozialismus in Wiesbaden" hat das Ziel, Informationen zu bündeln, auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen und die Angaben in eine Datenbank zu übertragen.
Von Gerhard Klaiber

Ausgangspunkt für diese Arbeit war das aus den 1980er Jahren stammende "Opferbuch Wiesbaden" mit 1164 Namenseinträgen, die allerdings lediglich Namen und Vornamen, Geburts- und Sterbedatum sowie in Einzelfällen den Zusatz "Freitod" enthielten. Da die Wiesbadener Einwohnermeldekartei durch Kriegseinwirkung im Februar 1945 verloren ging, war eine Überprüfung und Vervollständigung dieser Angaben nur aufgrund weniger Hilfsmittel möglich:

Ein Jüdischen Adressbuch von 1935, einer ausschließlich jüdische Personen umfassenden Meldekartei aus den Jahren 1939 und folgend (so genannte Gestapo-Kartei). Außerdem durch die im Entschädigungsamt Wiesbaden vorhandenen Akten zu den jüdischen Opfern und zu deren Angehörigen und Hinterbliebenen aus den 1950er Jahren.

Die Angaben im Adressbuch enthalten Namen, Vornamen, Hinweis auf den Ehepartner, Adresse und Beruf, die Meldekartei nennt dagegen auch Geburtsdatum und -ort, Beruf, Adresse, Wohnungswechsel und ggf. Sterbedatum in Wiesbaden ab 1939, Ehepartner und Kinder mit deren Geburtsdaten, Emigrationsdatum und -ziel sowie die Deportationsvermerke. Verstarb die Person in Wiesbaden, etwa durch Selbstmord, wurde auch das Todesdatum vermerkt. Nach dem jetzigen Forschungsstand sind etwa 1 030 Personen aus Wiesbaden direkt deportiert und Opfer des Holocausts geworden oder wählten den Freitod, um der Deportation zu entgehen.

Eine erste, kleinere Deportation erfasste am 23. Mai 1942 26 Bürger, die wahrscheinlich nach Izbica in Ostpolen verbracht wurden. Hier verliert sich deren Spur. Mit einer am 10. Juni 1942 erfolgten Abschiebung wurden 388 Juden nach Polen deportiert. Ziel dieses Transports war das Ghetto Majdanek in Lublin; entweder wurden sie schon hier Opfer der NS-Mordmaschinerie oder in den Vernichtungslagern Sobibor oder Treblinka ermordet. Überlebende sind nicht bekannt. Die Recherchen zu dieser Opfergruppe in den Entschädigungsakten ergaben, dass auch die Hinterbliebenen keine genauen Kenntnisse über das grausame Schicksal ihrer Angehörigen in Polen hatten. Eine weitere Deportation brachte am 1. September 1942 die Abschiebung von 372 zumeist älteren Mitbürgern in das jüdische "Altersghetto" nach Theresienstadt. Etwa die Hälfte verstarb hier, andere wurden sukzessive nach Auschwitz deportiert und dort in den Gaskammern ermordet. Zu dieser Zeit lebten nur noch rund 200 jüdische Personen in Wiesbaden, meist in so genannten "Mischehen", die dann in den Jahren 1943 bis 1945 ebenfalls deportiert wurden. Die meisten von ihnen überlebten nicht. Dem KZ zu entrinnen, gelang dem jüdischen Ehepaar Julius und Luise Marxheimer; seit Anfang September 1942 in Theresienstadt, konnten sie das KZ mit einem Transportzug des Internationalen Roten Kreuzes verlassen. Ihre angestammte Wohnung am Kaiser-Friedrich-Ring 71, aus der sie im März 1939 vertrieben wurden, wurde übrigens Quartier des örtlichen Rassenamtes der NSDAP.

Von den Personen, die in den 1930er Jahren in das vermeintlich sichere westliche Ausland - nach Frankreich, Belgien, Niederlande, Luxemburg, Italien - emigrierten, wurden 170 Personen nachweislich ermordet oder in die deutschen Vernichtungslager nach Polen deportiert. In der Nacht vom 28. auf den 29. Oktober 1938 wurden nach neuesten Schätzungen rund 15 000 bis 20 000 Juden mit vermeintlicher oder vorgeblicher polnischer Staatsangehörigkeit nächtens mit Sonderzügen nach Polen abgeschoben. Aus Wiesbaden waren davon etwa 70 Personen betroffen. Ein Teil von ihnen konnte Polen wieder verlassen, die anderen starben in den Ghettos und Konzentrationslagern. Das Schicksal von rund 100 Personen mit einer "ostjüdischen" Herkunft konnte bisher noch nicht aufgeklärt werden.

Wahrscheinlich gelang über 2 000 jüdischen Mitbürgern in den Jahren 1933 bis 1941 die Emigration ins Ausland. Hauptsächliche Ziele waren Großbritannien, Frankreich, Belgien, die USA, Brasilien, aber auch Südafrika und Australien. Zu den exotischeren Zielen gehörten Länder wie Kuba, San Domingo, Indien oder Rhodesien. Auch in das ferne China emigrierten mindestens vier Familien. Zu diesen zählte der Arzt Willy Fackenheim mit seiner Ehefrau Elsa, geborene Altschul sowie deren zwei Kinder Walter und Erich. In den Kriegsjahren 1940/41 konnten noch über 60 Personen nach Übersee emigrieren. Die letzte nachweisbare Auswanderung in die USA gelang dem Ehepaar Hugo und Sophie Neumann, geborene Blum am 15. September 1941.


http://www.wiesbadener-kurier.de/region/objekt.php3?artikel_id=2404852
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