Während des zweiten Weltkriegs hat Thomas Mann monatlich über die BBC Reden an das deutsche Volk gerichtet, in denen er das Nazi-Regime verurteilt hat. Im Januar 1942 hat er bereits eine "Probevergasung" erwähnt, nur vier Monate nach den ersten angeblichen Vergasungen (September '41). Wie alle frühen Berichte über Vergasungen, passt sie aber nicht zur späteren Standarddarstellung des Holocausts.
"Deutsche Höhrer!
Die Nachricht klingt unglaubwürdig, aber meine Quelle ist gut. In zahlreichen holländisch-jüdischen Familien, so wurde ich unterrichtet, in Amsterdam und andern Städten, herrscht tiefe Trauer um Söhne, die eines schaurigen Todes gestorben sind. Vierhundert junge holländische Juden sind nach Deutschland gebracht worden, um als Versuchsobjekte für Giftgas zu dienen. Die Virulenz dieses ritterlichen und durch und durch deutschen Kriegsmittels, einer wahren Siegfried-Waffe, hat sich an den jungen Untermenschen bewährt. Sie sind tot, - gestorben für die 'neue Ordnung' und die Kriegsingeniosität der Herrenrasse. Eben dafür waren sie allenfalls gut genug. Es waren ja Juden.
Ich sagte: Die Geschichte klingt unglaubwürdig, und überall in der Welt werden viele sich sperren, sie zu glauben. Starke Reste jener Glaubensunwilligkeit, unter der wir Deutschlandflüchtlinge all diese Jahre her so bitter gelitten haben: der Unwilligkeit, an die wahre Natur des NAtionalsozialismus zu glauben, die für menschenumöglich zu halten, sind selbst heute noch überall vorhanden: Die Neigung - um nicht zu sagen: Die Tendenz, solche Geschichten als Greuelmärchen anzusehen, bleibt zum Vorteil des Feindes weit verbreitet. Sie sind aber keine bloßen Geschichten: sie sind Geschichte. [...] "
Propagandistisch gut gemacht: "Meine Geschichte ist zwar unglaubwürdig, aber wer sie nicht glaubt, hilft damit dem Nazi-Regime"... Es gibt noch ein paar spätere interessante Reden, die ich in den nächsten Wochen (hoffentlich) hier zitieren werde.
Thomas Mann über Vergasungen
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Here is the complete text of the January 1942 speech:
"Deutsche Hörer!
Die Nachricht klingt unglaubwürdig, aber meine Quelle ist gut. In zahlreichen holländisch jüdischen Familien, so wurde ich unterrichtet, in Amsterdam und andern Städten, herrscht tiefe Trauer um Söhne, die eines schaurigen Todes gestorben sind. Vierhundert junge holländische Juden sind nach Deutschland gebracht worden, um als Versuchsobjekte für Giftgas zu dienen. Die Virulenz dieses ritterlichen und durch und durch deutschen Kriegsmittels, einer wahren Siegfried-Waffe, hat sich an den jungen Untermenschen bewährt. Sie sind tot, - gestorben für die >neue Ordnung< und die Kriegsingeniosität der Herrenrasse. Eben dafür waren sie allenfalls gut genug. Es waren ja Juden.
Ich sagte: Die Geschichte klingt unglaubwürdig, und überall in der Welt werden viele sich sperren, sie zu glauben. Starke Reste jener Glaubensunwilligkeit, unter der wir Deutschlandflüchtlinge all diese Jahre her so bitter gelitten haben: der Unwilligkeit, an die wahre Natur des Nationalsozialismus zu glauben, sie für menschenmöglich zu halten, sind selbst heute noch überall vorhanden: die Neigung - um nicht zu sagen: die Tendenz, solche Geschichten als Greuelmärchen anzusehen, bleibt zum Vorteil des Feindes weit verbreitet. Sie sind aber keine bloßen Geschichten: sie sind Geschichte. Die Nazis machen bewußt Geschichte mit allen ihren Taten, und die Probevergasung der vierhundert jungen Juden ist eine bewußte und demonstrative Geschichtstat, ein lehrund beispielhafter Ausdruck des Geistes und der Gesinnung der nationalsozialistischen Revolution, die man nicht versteht, wenn man die moralische Bereitschaft zu solchen Taten nicht als eine revolutionäre Errungenschaft begreift. In dieser rückfälligen - um Jahrtausende rückfälligen - Bereitschaft besteht die nationalsozialistische Revolution: etwas anderes hat sie nicht hervorgebracht und wird sie nie hervorbringen. Man darf nicht vergessen, daß am Anfang dieses Krieges, der nicht 1939, sondern 1933 begann, die Abschaffung der Menschenrechte stand. »Die Menschenrechte sind abgeschafft«, verkündete damals Dr. Goebbels im Berliner Sportpalast, und zehntausend blöde arme Teufel brüllten ihm kläglich-widersinnigen Beifall. Es war eine geschichtliche Proklamation, die prinzipielle Grundlage für alles, was Nazi-Deutschland heute den Völkern, einschließlich des eigenen Volkes, zufügt: die Feststellung einer revolutionären Errungenschaft, die die Abschaffung aller sittlichen Errungenschaften des Menschen seit Jahrtausenden bedeutet - nicht nur der Errungenschaften der Französischen Revolution, sondern auch der mildernden, sittigenden, das menschliche Gewissen schärfenden Wirkungen des Christentums. Der Inhalt, die neue Lehre und Tat, die Theorie und Praxis der nationalsozialistischen Revolution ist der Bestialismus, - er allein: und ihr Produkt ist das Europa von heute: ein halb ausgemordetes Hunger- und Seuchengebiet, das, wenn der Hitler-Krieg noch einige Jahre dauert, nur noch ein Wechselplatz der Wölfe sein wird.
Es ist furchtbar schwer und ein Gegenstand beständiger ratloser Sorge, sich das Zusammenleben des deutschen Volkes mit den andern Völkern nach diesem Kriege vorzustellen. Es hat immer Kriege gegeben, und die Nationen, die sie ausfochten, haben dabei einander immer viel Übel zugefügt. Das pflegte, dank dem kurzen Gedächtnis der Menschen, nach Friedensschluß sehr rasch begraben und vergessen zu sein. Diesmal ist es anders. Was Deutschland tut, was es an Jammer, Elend, Verzweiflung, Untergang, an moralischer und physischer Zerrüttung der Menschheit zufügt, indem es die revolutionäre Philosophie des Bestialismus ausübt, ist von einem solchen Maßstabe, so himmelschreiend, so hoffnungslos unvergeßbar, daß man nicht absieht, wie in Zukunft unser Volk unter den Brüdervölkern der Erde als gleiches unter gleichen soll leben können. Je länger der Krieg dauert, desto verzweifelter verstrickt dieses Volk sich in Schuld, und aus dem einzigen Grunde dauert er heute noch an, weil es euch Deutschen zu spät scheint zum' Aufhören; weil ihr fühlt, es sei zuviel geschehen, als daß ihr noch zurück könntet; weil euch Entsetzen erfaßt bei dem Gedanken der Liquidation, der Abrechnung, der Sühne. Ihr müßt siegen, denkt ihr, damit die Revolution des Bestialismus sich über die ganze Welt erstrecke und in ihrem Zeichen eine finstere Verständigung zwischen euch und dem Rest der Welt möglich sei. Aber das kann nicht geschehen. Ihr seht es mit Augen, daß die Welt entschlossen ist, ihr Äußerstes zu tun, um das Schicksal abzuwehren, sich mit euch auf dem Fuße des Bestialismus zu begegnen, und die Kraft eurer Verzweiflung ist nicht dem Willen von drei Vierteln der Menschheit gewachsen.
'Nicht siegen müßt ihr, denn das könnt ihr nicht. Ihr müßt euch reinigen. Die Sühne, um deren Vermeidung ihr kämpft, muß euer eigenstes Werk sein, das Werk des deutschen Volkes, von dem euer bald zermürbtes und erschöpftes Kriegsheer ein Teil ist. Sie muß von innen kommen - denn von außen kann nur Rache und Strafe kommen, aber nicht Reinigung. Immer widerspreche ich denen, die für die Zeit nach dem Zusammenbruch des Hitlertums eine Zwangserziehung des deutschen Volkes von außen empfehlen. Jede Umbildung, antworte ich ihnen, ist Sache des deutschen Volkes selbst, muß seine Sache allein sein. Diejenigen von euch, für die sich mit meinem Namen noch ein Begriff verbindet, wissen wohl, daß ich kein Revoluzzer und Barrikadenmann bin, von Natur gewiß kein Rufer zu blutigen Taten. Aber soviel weiß ich von den Gesetzen der moralischen Welt und habe hinlängliche Ehrfurcht vor ihnen, um euch zu sagen und mit Sicherheit anzukündigen: Eine Reini¬gung, Bereinigung und Befreiung muß und wird stattfinden in Deutschland, so gründlich und von solcher Entschiedenheit, daß sie im Verhältnis steht zu Übeltaten, wie die Welt sie noch nicht sah. Sie muß, sage ich, und wird stattfinden, damit das große deutsche Volk der Menschheit wieder ins Auge blicken und ihr mit freier Gebärde die Hand zur Versöhnung reichen kann."
"Deutsche Hörer!
Die Nachricht klingt unglaubwürdig, aber meine Quelle ist gut. In zahlreichen holländisch jüdischen Familien, so wurde ich unterrichtet, in Amsterdam und andern Städten, herrscht tiefe Trauer um Söhne, die eines schaurigen Todes gestorben sind. Vierhundert junge holländische Juden sind nach Deutschland gebracht worden, um als Versuchsobjekte für Giftgas zu dienen. Die Virulenz dieses ritterlichen und durch und durch deutschen Kriegsmittels, einer wahren Siegfried-Waffe, hat sich an den jungen Untermenschen bewährt. Sie sind tot, - gestorben für die >neue Ordnung< und die Kriegsingeniosität der Herrenrasse. Eben dafür waren sie allenfalls gut genug. Es waren ja Juden.
Ich sagte: Die Geschichte klingt unglaubwürdig, und überall in der Welt werden viele sich sperren, sie zu glauben. Starke Reste jener Glaubensunwilligkeit, unter der wir Deutschlandflüchtlinge all diese Jahre her so bitter gelitten haben: der Unwilligkeit, an die wahre Natur des Nationalsozialismus zu glauben, sie für menschenmöglich zu halten, sind selbst heute noch überall vorhanden: die Neigung - um nicht zu sagen: die Tendenz, solche Geschichten als Greuelmärchen anzusehen, bleibt zum Vorteil des Feindes weit verbreitet. Sie sind aber keine bloßen Geschichten: sie sind Geschichte. Die Nazis machen bewußt Geschichte mit allen ihren Taten, und die Probevergasung der vierhundert jungen Juden ist eine bewußte und demonstrative Geschichtstat, ein lehrund beispielhafter Ausdruck des Geistes und der Gesinnung der nationalsozialistischen Revolution, die man nicht versteht, wenn man die moralische Bereitschaft zu solchen Taten nicht als eine revolutionäre Errungenschaft begreift. In dieser rückfälligen - um Jahrtausende rückfälligen - Bereitschaft besteht die nationalsozialistische Revolution: etwas anderes hat sie nicht hervorgebracht und wird sie nie hervorbringen. Man darf nicht vergessen, daß am Anfang dieses Krieges, der nicht 1939, sondern 1933 begann, die Abschaffung der Menschenrechte stand. »Die Menschenrechte sind abgeschafft«, verkündete damals Dr. Goebbels im Berliner Sportpalast, und zehntausend blöde arme Teufel brüllten ihm kläglich-widersinnigen Beifall. Es war eine geschichtliche Proklamation, die prinzipielle Grundlage für alles, was Nazi-Deutschland heute den Völkern, einschließlich des eigenen Volkes, zufügt: die Feststellung einer revolutionären Errungenschaft, die die Abschaffung aller sittlichen Errungenschaften des Menschen seit Jahrtausenden bedeutet - nicht nur der Errungenschaften der Französischen Revolution, sondern auch der mildernden, sittigenden, das menschliche Gewissen schärfenden Wirkungen des Christentums. Der Inhalt, die neue Lehre und Tat, die Theorie und Praxis der nationalsozialistischen Revolution ist der Bestialismus, - er allein: und ihr Produkt ist das Europa von heute: ein halb ausgemordetes Hunger- und Seuchengebiet, das, wenn der Hitler-Krieg noch einige Jahre dauert, nur noch ein Wechselplatz der Wölfe sein wird.
Es ist furchtbar schwer und ein Gegenstand beständiger ratloser Sorge, sich das Zusammenleben des deutschen Volkes mit den andern Völkern nach diesem Kriege vorzustellen. Es hat immer Kriege gegeben, und die Nationen, die sie ausfochten, haben dabei einander immer viel Übel zugefügt. Das pflegte, dank dem kurzen Gedächtnis der Menschen, nach Friedensschluß sehr rasch begraben und vergessen zu sein. Diesmal ist es anders. Was Deutschland tut, was es an Jammer, Elend, Verzweiflung, Untergang, an moralischer und physischer Zerrüttung der Menschheit zufügt, indem es die revolutionäre Philosophie des Bestialismus ausübt, ist von einem solchen Maßstabe, so himmelschreiend, so hoffnungslos unvergeßbar, daß man nicht absieht, wie in Zukunft unser Volk unter den Brüdervölkern der Erde als gleiches unter gleichen soll leben können. Je länger der Krieg dauert, desto verzweifelter verstrickt dieses Volk sich in Schuld, und aus dem einzigen Grunde dauert er heute noch an, weil es euch Deutschen zu spät scheint zum' Aufhören; weil ihr fühlt, es sei zuviel geschehen, als daß ihr noch zurück könntet; weil euch Entsetzen erfaßt bei dem Gedanken der Liquidation, der Abrechnung, der Sühne. Ihr müßt siegen, denkt ihr, damit die Revolution des Bestialismus sich über die ganze Welt erstrecke und in ihrem Zeichen eine finstere Verständigung zwischen euch und dem Rest der Welt möglich sei. Aber das kann nicht geschehen. Ihr seht es mit Augen, daß die Welt entschlossen ist, ihr Äußerstes zu tun, um das Schicksal abzuwehren, sich mit euch auf dem Fuße des Bestialismus zu begegnen, und die Kraft eurer Verzweiflung ist nicht dem Willen von drei Vierteln der Menschheit gewachsen.
'Nicht siegen müßt ihr, denn das könnt ihr nicht. Ihr müßt euch reinigen. Die Sühne, um deren Vermeidung ihr kämpft, muß euer eigenstes Werk sein, das Werk des deutschen Volkes, von dem euer bald zermürbtes und erschöpftes Kriegsheer ein Teil ist. Sie muß von innen kommen - denn von außen kann nur Rache und Strafe kommen, aber nicht Reinigung. Immer widerspreche ich denen, die für die Zeit nach dem Zusammenbruch des Hitlertums eine Zwangserziehung des deutschen Volkes von außen empfehlen. Jede Umbildung, antworte ich ihnen, ist Sache des deutschen Volkes selbst, muß seine Sache allein sein. Diejenigen von euch, für die sich mit meinem Namen noch ein Begriff verbindet, wissen wohl, daß ich kein Revoluzzer und Barrikadenmann bin, von Natur gewiß kein Rufer zu blutigen Taten. Aber soviel weiß ich von den Gesetzen der moralischen Welt und habe hinlängliche Ehrfurcht vor ihnen, um euch zu sagen und mit Sicherheit anzukündigen: Eine Reini¬gung, Bereinigung und Befreiung muß und wird stattfinden in Deutschland, so gründlich und von solcher Entschiedenheit, daß sie im Verhältnis steht zu Übeltaten, wie die Welt sie noch nicht sah. Sie muß, sage ich, und wird stattfinden, damit das große deutsche Volk der Menschheit wieder ins Auge blicken und ihr mit freier Gebärde die Hand zur Versöhnung reichen kann."
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Das ist Thomas Manns Rede vom Juni 1942. Er stockt die Todesziffer der Vergasten auf 800 auf und gibt zum ersten Mal einen Ort an: Mauthausen.
"Deutsche Hörer!
In einer meiner früheren Sendungen habe ich mich einer bedauerlichen Abschwächung der Wahrheit schuldig gemacht. Ich sprach von Nazi-Schandtaten und erwähnte, daß vierhundert junge Holländer jüdischen Geblütes nach Deutschland geschafft worden seien, um dort mit Giftgas getötet zu werden. Jetzt höre ich auf indirektem Wege aus Holland, daß meine Angabe beinahe um die Hälfte zu niedrig war. Es waren nahezu achthundert Menschen, die damals verhaftet, nach Mauthausen gebracht und dort vergast wurden. Die genaue Ziffer ist unterdessen von der holländischen Regierung veröffentlicht worden, aber da ich nicht annehme, daß diese Meldung zu euch gedrungen ist, so tue ich gut, die privat empfangene Belehrung an euch weiterzugeben. Sie zeigt, daß immer die Nazi-Entmenschtheit alles überbietet, was man ihr nachsagt und zuschreibt: nie besteht da die Gefahr zu übertreiben; mit dem Schlimmsten bleibt man noch um die Hälfte hinter der Wahrheit zurück.
Und ist nicht der viehische Massenmord von Mauthausen nur eine unscheinbare Einzelheit im Gesamtbilde dieser Entmenschtheit? Verschwindet er nicht in dem Meer von Scheußlichkeit, das sich über das ganze gefolterte Machtgebiet der Hitler-Infamie erstreckt? Seit dem gewaltsamen Tode des Heydrich, dem natürlichsten Tode also, den einBluthund wie er sterben kann, wütet überall der Terror krankhaft-hemmungsloser als je. Es ist absurd und läßt wieder einmal den Ekel hochsteigen vor der Mischung aus Brutalität und kreischender Wehleidigkeit, die von jeher für das Nazitum kennzeichnend war. Daß das Attentat und die Flucht der Attentäter ohne Wink und Nachhilfe von Naziseite selbst schwerlich hätte gelingen können, wollen wir beiseite lassen. Korruption ist ein bodenloser Sumpf es ist ihr schlechterdings alles zuzutrauen. Aber hat je ein Mensch von der Art dieses Heydrich anders geendet? Ist nicht ein Tod, wie er ihn fand, das selbstverständlichste Ding von der Welt, ein einfaches Berufsrisiko und eine trockene Wahrscheinlichkeit, deren Erfüllung kein mit menschlicher Logik begabtes Wesen überraschen, geschweige denn außer sich bringen kann? Wohin dieser Mordknecht kam, floß das Blut in Strömen. Überall, auch in Deutschland, hieß er schlecht und recht >der Henker<. Sein Name war eine Unterschrift unter Todesurteile, nichts weiter. Vierunddreißig davon fertigte er noch rasch aus, bevor er von Prag nach Paris ging, zu einem kurzen, aber effektvollen Besuch, der einhundertdreiundfünfzig Geiselmorde in einer Woche zeitigte. Das war, noch ehe er als Protektor den Hradschin bezog, und da hat er das Tschechenvolk protegiert, daß es dem deutschen Namen nicht vergessen sein wird für hundert Jahr. Nun also, er ist ermordet worden. Und wie nehmen die Nazis das auf? Sie fallen in Krämpfe. Sie stellen sich buchstäblich an, als sei die unfaßlichste Missetat geschehen, der Menschheit Höchstes angetastet, die Krone, das Palladium entwendet. Jeder Anflug logischen Anstandes ist ihnen fremd, jeder leiseste Sinn für Gerechtigkeit ihnen versagt, sie haben nicht einen Funken Vernunft. Die Stimme versagt ihnen beim Racheschrei. Und dann legen sie los. Der gramgebeugte Führer, der einen männlich geliebten Mordgesellen verlor, gibt seine in schlummerlosen Nächten ersonnenen Weisungen. Ein Metzeln und Abschießen geht an, ein Wüten gegen Wehrlosigkeit und Unschuld, so recht nach Nazilust. Tausend müssen sterben, Männer und Frauen. Eine ganze Ortschaft, die die Täter beherbergt haben soll, Lidice, wird ausgemordet und dem Erdboden gleichgemacht. Die am Leben gelassene Bevölkerung von Prag muß die Straßen säumen, während der Leichenkondukt des Heiligen vorüberzieht. Zu Hause wird ihm ein pomphaftes Staatsbegräbnis verordnet, und ein anderer Metzgermeister sagt ihm am Grabe nach, er sei eine reine Seele und ein Mensch von hohem Humanitätsgefühl gewesen.
Das alles ist verrückt. Es ist die Verrücktheit, die eine verwirrte Welt hat absolut werden lassen und die nun die Macht hat zu jeder Schändung des Wortes, der gesunden Vernunft, des Menschenanstandes. Der Verrücktheit ist die Macht alles: sie braucht sie unbedingt, um sich auszuleben. Kein vernünftiges Wesen ist angewiesen auf die Macht und giert nach ihr wie die Verrücktheit. Man braucht keine Macht, um die Wahrheit sagen zu können. Aber um sagen zu können: Heydrich war ein Edelmensch, dazu braucht man Macht, - die absolute Macht, zu bestimmen, was Wahrheit und was Blödsinn ist. Auch tut kein Vernünftiger alles, wozu er gerade die Macht hätte. Der Nazi dagegen sieht sich um, ob jemand da ist, der ihn stören, ihn hindern, ihn strafen könnte. Ist niemand da, ist der Rächer zu weit, so tut er's.
Geschichtsphilosophen haben die Macht an sich böse genannt. Ich glaube das nicht. Nur Entartete sehen in der Macht die Möglichkeit, ungestraft Böses zu tun. Möge dieser Krieg die Macht denen zuwenden, hinter deren Stirnen Vernunft, in deren Herzen Sympathie wohnt und denen Macht ein Mittel zum Guten ist!"
"Deutsche Hörer!
In einer meiner früheren Sendungen habe ich mich einer bedauerlichen Abschwächung der Wahrheit schuldig gemacht. Ich sprach von Nazi-Schandtaten und erwähnte, daß vierhundert junge Holländer jüdischen Geblütes nach Deutschland geschafft worden seien, um dort mit Giftgas getötet zu werden. Jetzt höre ich auf indirektem Wege aus Holland, daß meine Angabe beinahe um die Hälfte zu niedrig war. Es waren nahezu achthundert Menschen, die damals verhaftet, nach Mauthausen gebracht und dort vergast wurden. Die genaue Ziffer ist unterdessen von der holländischen Regierung veröffentlicht worden, aber da ich nicht annehme, daß diese Meldung zu euch gedrungen ist, so tue ich gut, die privat empfangene Belehrung an euch weiterzugeben. Sie zeigt, daß immer die Nazi-Entmenschtheit alles überbietet, was man ihr nachsagt und zuschreibt: nie besteht da die Gefahr zu übertreiben; mit dem Schlimmsten bleibt man noch um die Hälfte hinter der Wahrheit zurück.
Und ist nicht der viehische Massenmord von Mauthausen nur eine unscheinbare Einzelheit im Gesamtbilde dieser Entmenschtheit? Verschwindet er nicht in dem Meer von Scheußlichkeit, das sich über das ganze gefolterte Machtgebiet der Hitler-Infamie erstreckt? Seit dem gewaltsamen Tode des Heydrich, dem natürlichsten Tode also, den einBluthund wie er sterben kann, wütet überall der Terror krankhaft-hemmungsloser als je. Es ist absurd und läßt wieder einmal den Ekel hochsteigen vor der Mischung aus Brutalität und kreischender Wehleidigkeit, die von jeher für das Nazitum kennzeichnend war. Daß das Attentat und die Flucht der Attentäter ohne Wink und Nachhilfe von Naziseite selbst schwerlich hätte gelingen können, wollen wir beiseite lassen. Korruption ist ein bodenloser Sumpf es ist ihr schlechterdings alles zuzutrauen. Aber hat je ein Mensch von der Art dieses Heydrich anders geendet? Ist nicht ein Tod, wie er ihn fand, das selbstverständlichste Ding von der Welt, ein einfaches Berufsrisiko und eine trockene Wahrscheinlichkeit, deren Erfüllung kein mit menschlicher Logik begabtes Wesen überraschen, geschweige denn außer sich bringen kann? Wohin dieser Mordknecht kam, floß das Blut in Strömen. Überall, auch in Deutschland, hieß er schlecht und recht >der Henker<. Sein Name war eine Unterschrift unter Todesurteile, nichts weiter. Vierunddreißig davon fertigte er noch rasch aus, bevor er von Prag nach Paris ging, zu einem kurzen, aber effektvollen Besuch, der einhundertdreiundfünfzig Geiselmorde in einer Woche zeitigte. Das war, noch ehe er als Protektor den Hradschin bezog, und da hat er das Tschechenvolk protegiert, daß es dem deutschen Namen nicht vergessen sein wird für hundert Jahr. Nun also, er ist ermordet worden. Und wie nehmen die Nazis das auf? Sie fallen in Krämpfe. Sie stellen sich buchstäblich an, als sei die unfaßlichste Missetat geschehen, der Menschheit Höchstes angetastet, die Krone, das Palladium entwendet. Jeder Anflug logischen Anstandes ist ihnen fremd, jeder leiseste Sinn für Gerechtigkeit ihnen versagt, sie haben nicht einen Funken Vernunft. Die Stimme versagt ihnen beim Racheschrei. Und dann legen sie los. Der gramgebeugte Führer, der einen männlich geliebten Mordgesellen verlor, gibt seine in schlummerlosen Nächten ersonnenen Weisungen. Ein Metzeln und Abschießen geht an, ein Wüten gegen Wehrlosigkeit und Unschuld, so recht nach Nazilust. Tausend müssen sterben, Männer und Frauen. Eine ganze Ortschaft, die die Täter beherbergt haben soll, Lidice, wird ausgemordet und dem Erdboden gleichgemacht. Die am Leben gelassene Bevölkerung von Prag muß die Straßen säumen, während der Leichenkondukt des Heiligen vorüberzieht. Zu Hause wird ihm ein pomphaftes Staatsbegräbnis verordnet, und ein anderer Metzgermeister sagt ihm am Grabe nach, er sei eine reine Seele und ein Mensch von hohem Humanitätsgefühl gewesen.
Das alles ist verrückt. Es ist die Verrücktheit, die eine verwirrte Welt hat absolut werden lassen und die nun die Macht hat zu jeder Schändung des Wortes, der gesunden Vernunft, des Menschenanstandes. Der Verrücktheit ist die Macht alles: sie braucht sie unbedingt, um sich auszuleben. Kein vernünftiges Wesen ist angewiesen auf die Macht und giert nach ihr wie die Verrücktheit. Man braucht keine Macht, um die Wahrheit sagen zu können. Aber um sagen zu können: Heydrich war ein Edelmensch, dazu braucht man Macht, - die absolute Macht, zu bestimmen, was Wahrheit und was Blödsinn ist. Auch tut kein Vernünftiger alles, wozu er gerade die Macht hätte. Der Nazi dagegen sieht sich um, ob jemand da ist, der ihn stören, ihn hindern, ihn strafen könnte. Ist niemand da, ist der Rächer zu weit, so tut er's.
Geschichtsphilosophen haben die Macht an sich böse genannt. Ich glaube das nicht. Nur Entartete sehen in der Macht die Möglichkeit, ungestraft Böses zu tun. Möge dieser Krieg die Macht denen zuwenden, hinter deren Stirnen Vernunft, in deren Herzen Sympathie wohnt und denen Macht ein Mittel zum Guten ist!"
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27.9.1942. In dieser Rede spricht Thomas Mann von 11,000 Vergasten bei Konin nahe Warschau. Zum ersten Mal kommen Vergasungswagen ins Spiel.
"Deutsche Hörer!
Man wüßte gern, wie ihr im stillen von der Aufführung derer denkt, die in der Welt für euch handeln, die JudenGreuel in Europa zum Beispiel - wie euch dabei als Menschen zumute ist, das möchte man euch wohl fragen. Ihr steht immer weiter zu Hitlers Krieg und ertragt das Äußerste aus Furcht vor dem, was die Niederlage bringen würde: vor der Rache der mißhandelten Nationen Europas an allem, was deutsch ist. Aber gerade von den Juden ist solche Rache ja nicht zu erwarten. Sie sind das wehrloseste, der Gewalt und der Bluttat abgeneigteste aller eurer Opfer. Selbst heute noch nicht-sind sie eure Feinde; ihr seid nur ihre. Ihr bringt es nicht fertig, den Haß wechselseitig zu machen. Juden sind fast immer deutschfreundlich, und wenn es mit euch zum Ärgsten kommt, wie es wahrscheinlich ist, - sie gerade, unemotional und altersweise, wie sie sind, werden davon abraten, euch Gleiches mit Gleichem zu vergelten, - sie werden vielleicht in der Welt eure einzigen Freunde und Fürsprecher sein. Sie sind entmachtet, entrechtet, enteignet, in den Staub gedemütigt worden - war das nicht genug? Was sind das für Menschen, für Ungeheuer, die des Schändens nie satt werden, denen jedes Elend, das sie den Juden zufügten, nur immer ein Anreiz war, sie in noch tieferes, noch erbarmungsloseres Elend zu stoßen? Anfangs gab es in der Behandlung dieses Restes der Antike, der aber überall mit modernen Nationalleben eng verwachsen war, ja noch einen Schein von Maß und Vernunft. Die Juden, hieß es, sollten gesondert von ihren Wirtsvölkern, ausgeschlossen von Ämtern und Einfluß, als geduldete Gäste leben, aber ungestört ihrem eigenen Kultus, ihrer eigenen Kultur sich widmen können. Das ist längst vorbei. Auf keiner Stufe machte die Quälsucht halt. Jetzt ist man bei der Vernichtung, dem maniakalischen Entschluß zur völligen Austilgung der europäischen Judenschaft angelangt. »Es ist unser Ziel«, hat Goebbels in einer Radio-Rede gesagt, »die Juden auszurotten. Ob wir siegen oder geschlagen werden, wir müssen und werden dieses Ziel erreichen. Sollten die deutschen Heere zum Rückzug gezwungen werden, so werden sie auf ihrem Wege den letzten Juden von der Erde vertilgen.«
Kein vernunftbegabtes Wesen kann sich in den Gedankengang dieser verjauchten Gehirne versetzen. Wozu? fragt man sich. Warum? Wem ist damit gedient? Wird irgend jemand es besser haben, wenn die Juden vernichtet sind? Hat der unselige Lügenbold sich am Ende selber eingeredet, der Krieg sei vom >Weltjudentum< angezettelt worden, es sei ein Judenkrieg und werde für und gegen die Juden geführt? Glaubt er, das >Weltjudentum< werde vor Schrecken den Krieg gegen die Nazis untersagen, wenn es erfährt, daß deren Untergang den Untergang des letzten Juden in Europa bedeuten wird? Die Niederlage hält Gundolfs mißratener Schüler nachgerade für möglich. Aber nicht allein werden die Nazis zur Hölle fahren, sie werden die Juden mitnehmen. Sie können nicht ohne Juden sein. Es ist tief empfundene Schicksalsgemeinschaft. Ich glaube ja freilich, daß die zurückflutenden deutschen Heere an anderes zu denken haben werden als an Pogrome. Aber bis sie geschlagen sind, ist es irrsinniger Ernst mit der Ausrottung der Juden. Das Ghetto von Warschau, wo fünfhunderttausend Juden aus Polen, Österreich, Tschechoslowakien und Deutschland in zwei Dutzend elende Straßen zusammengepfercht worden sind, ist nichts als eine Hunger-, Pest- und Todesgrube, aus der Leichengeruch steigt. Fünfundsechzigtausend Menschen sind dort in einem Jahr, dem vorigen, gestorben. Nach den Informationen der polnischen Exil-Regierung sind alles in allem bereits siebenhunderttausend Juden von der Gestapo gemordet oder zu Tode gequält worden, wovon siebzigtausend allein auf die Region von Minsk in Polen entfallen. Wißt ihr Deutsche das? Und wie findet ihr es? Im unbesetzten Frankreich wurden kürzlich dreitausendsechshundert Juden den unterschiedlichen Konzentrationslagern entnommen und nach dem Osten verfrachtet. Bevor sich der Todeszug in Bewegung setzte, begingen dreihundert Menschen Selbstmord. Nur Kinder von fünf Jahren und aufwärts durften bei ihren Eltern bleiben; die kleineren überließ man ihrem Schicksal. Im französischen Volk hat das viel böses Blut gemacht. Und wie steht es, Deutsche, mit euerem Blut?
In Paris wurden binnen weniger Tage sechzehntausend Juden zusammengetrieben, in Viehwagen verladen und abtransportiert. Wohin? Das weiß der deutsche Lokomotivführer, von dem man sich in der Schweiz erzählt. Er ist dorthin entflohen, weil er mehrmals Züge voller Juden zu fahren hatte, die auf offener Strecke hielten, hermetisch verschlossen und dann durchgast wurden. Der Mann hatte es nicht mehr ausgestanden. Aber seine Erfahrungen sind keineswegs außerordentlich. Ein genauer und authentischer Bericht liegt vor über die Tötung von nicht weniger als elftausend polnischen Juden mit Giftgas. Sie wurden auf ein besonderes Exekutionsfeld bei Konin im Distrikt Warschau gebracht, in luftdicht verschlossene Wagen gesteckt und binnen einer Viertelstunde in Leichen verwandelt. Man hat die eingehende Beschreibung des ganzen Vorganges, der Schreie und Gebete der Opfer und des gutmütigen Gelächters der SS-Hottentotten, die den Spaß zur Ausführung brachten. - Und da wundert ihr Deutschen euch, entrüstet euch sogar darüber, daß die zivilisierte Welt beratschlagt, mit welchen Erziehungsmethoden aus den deutschen Generationen, deren Gehirne vom Nationalsozialismus geformt sind, aus moralisch völlig begrifflosen und mißgebildeten Killern also, Menschen zu machen sind?"
"Deutsche Hörer!
Man wüßte gern, wie ihr im stillen von der Aufführung derer denkt, die in der Welt für euch handeln, die JudenGreuel in Europa zum Beispiel - wie euch dabei als Menschen zumute ist, das möchte man euch wohl fragen. Ihr steht immer weiter zu Hitlers Krieg und ertragt das Äußerste aus Furcht vor dem, was die Niederlage bringen würde: vor der Rache der mißhandelten Nationen Europas an allem, was deutsch ist. Aber gerade von den Juden ist solche Rache ja nicht zu erwarten. Sie sind das wehrloseste, der Gewalt und der Bluttat abgeneigteste aller eurer Opfer. Selbst heute noch nicht-sind sie eure Feinde; ihr seid nur ihre. Ihr bringt es nicht fertig, den Haß wechselseitig zu machen. Juden sind fast immer deutschfreundlich, und wenn es mit euch zum Ärgsten kommt, wie es wahrscheinlich ist, - sie gerade, unemotional und altersweise, wie sie sind, werden davon abraten, euch Gleiches mit Gleichem zu vergelten, - sie werden vielleicht in der Welt eure einzigen Freunde und Fürsprecher sein. Sie sind entmachtet, entrechtet, enteignet, in den Staub gedemütigt worden - war das nicht genug? Was sind das für Menschen, für Ungeheuer, die des Schändens nie satt werden, denen jedes Elend, das sie den Juden zufügten, nur immer ein Anreiz war, sie in noch tieferes, noch erbarmungsloseres Elend zu stoßen? Anfangs gab es in der Behandlung dieses Restes der Antike, der aber überall mit modernen Nationalleben eng verwachsen war, ja noch einen Schein von Maß und Vernunft. Die Juden, hieß es, sollten gesondert von ihren Wirtsvölkern, ausgeschlossen von Ämtern und Einfluß, als geduldete Gäste leben, aber ungestört ihrem eigenen Kultus, ihrer eigenen Kultur sich widmen können. Das ist längst vorbei. Auf keiner Stufe machte die Quälsucht halt. Jetzt ist man bei der Vernichtung, dem maniakalischen Entschluß zur völligen Austilgung der europäischen Judenschaft angelangt. »Es ist unser Ziel«, hat Goebbels in einer Radio-Rede gesagt, »die Juden auszurotten. Ob wir siegen oder geschlagen werden, wir müssen und werden dieses Ziel erreichen. Sollten die deutschen Heere zum Rückzug gezwungen werden, so werden sie auf ihrem Wege den letzten Juden von der Erde vertilgen.«
Kein vernunftbegabtes Wesen kann sich in den Gedankengang dieser verjauchten Gehirne versetzen. Wozu? fragt man sich. Warum? Wem ist damit gedient? Wird irgend jemand es besser haben, wenn die Juden vernichtet sind? Hat der unselige Lügenbold sich am Ende selber eingeredet, der Krieg sei vom >Weltjudentum< angezettelt worden, es sei ein Judenkrieg und werde für und gegen die Juden geführt? Glaubt er, das >Weltjudentum< werde vor Schrecken den Krieg gegen die Nazis untersagen, wenn es erfährt, daß deren Untergang den Untergang des letzten Juden in Europa bedeuten wird? Die Niederlage hält Gundolfs mißratener Schüler nachgerade für möglich. Aber nicht allein werden die Nazis zur Hölle fahren, sie werden die Juden mitnehmen. Sie können nicht ohne Juden sein. Es ist tief empfundene Schicksalsgemeinschaft. Ich glaube ja freilich, daß die zurückflutenden deutschen Heere an anderes zu denken haben werden als an Pogrome. Aber bis sie geschlagen sind, ist es irrsinniger Ernst mit der Ausrottung der Juden. Das Ghetto von Warschau, wo fünfhunderttausend Juden aus Polen, Österreich, Tschechoslowakien und Deutschland in zwei Dutzend elende Straßen zusammengepfercht worden sind, ist nichts als eine Hunger-, Pest- und Todesgrube, aus der Leichengeruch steigt. Fünfundsechzigtausend Menschen sind dort in einem Jahr, dem vorigen, gestorben. Nach den Informationen der polnischen Exil-Regierung sind alles in allem bereits siebenhunderttausend Juden von der Gestapo gemordet oder zu Tode gequält worden, wovon siebzigtausend allein auf die Region von Minsk in Polen entfallen. Wißt ihr Deutsche das? Und wie findet ihr es? Im unbesetzten Frankreich wurden kürzlich dreitausendsechshundert Juden den unterschiedlichen Konzentrationslagern entnommen und nach dem Osten verfrachtet. Bevor sich der Todeszug in Bewegung setzte, begingen dreihundert Menschen Selbstmord. Nur Kinder von fünf Jahren und aufwärts durften bei ihren Eltern bleiben; die kleineren überließ man ihrem Schicksal. Im französischen Volk hat das viel böses Blut gemacht. Und wie steht es, Deutsche, mit euerem Blut?
In Paris wurden binnen weniger Tage sechzehntausend Juden zusammengetrieben, in Viehwagen verladen und abtransportiert. Wohin? Das weiß der deutsche Lokomotivführer, von dem man sich in der Schweiz erzählt. Er ist dorthin entflohen, weil er mehrmals Züge voller Juden zu fahren hatte, die auf offener Strecke hielten, hermetisch verschlossen und dann durchgast wurden. Der Mann hatte es nicht mehr ausgestanden. Aber seine Erfahrungen sind keineswegs außerordentlich. Ein genauer und authentischer Bericht liegt vor über die Tötung von nicht weniger als elftausend polnischen Juden mit Giftgas. Sie wurden auf ein besonderes Exekutionsfeld bei Konin im Distrikt Warschau gebracht, in luftdicht verschlossene Wagen gesteckt und binnen einer Viertelstunde in Leichen verwandelt. Man hat die eingehende Beschreibung des ganzen Vorganges, der Schreie und Gebete der Opfer und des gutmütigen Gelächters der SS-Hottentotten, die den Spaß zur Ausführung brachten. - Und da wundert ihr Deutschen euch, entrüstet euch sogar darüber, daß die zivilisierte Welt beratschlagt, mit welchen Erziehungsmethoden aus den deutschen Generationen, deren Gehirne vom Nationalsozialismus geformt sind, aus moralisch völlig begrifflosen und mißgebildeten Killern also, Menschen zu machen sind?"
- Hotzenplotz
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14. Januar 1945. Die "Todesfabriken" in Majdanek und Auschwitz wurden von der roten Armee befreit. Interessant ist, dass fast nichts, was Thomas Mann sagt, gemäß der heutigen Standardgeschichte richtig ist. Chlorgas? Totenbücher mit 715,000 Eintragungen? Nie wieder was von gehört. Knochenmehl als Kunst[?]dünger für deutsche Erde? Alles klar.
"Deutsche Hörer!
Wäre nur dieser Krieg zu Ende! Wäre nur schon geschehen, was geschehen muß und einmal geschehen wird, wie es nun anfangs auch aussehen möge! Wären die grauenhaften Menschen erst beseitigt, die Deutschland hierhin gebracht haben, und könnte man anfangen, an einen Neubeginn des Lebens, an ein Forträumen der Trümmer, der inneren und äußeren, an den allmählichen Wiederaufbau, an eine verständige Aussöhnung mit den anderen Völkern und ein würdiges Zusammenleben mit ihnen zu denken! - Ist es das, was ihr wünscht? Spreche ich damit eure Sehnsucht aus? Ich glaube es. Ihr seid des Todes, der Zerstörung, des Chaos übersatt, wie sehr euer Heimlichstes zeitweise danach verlangt haben möge. Ihr wollt Ordnung und Leben, eine neue Lebensord¬nung, wie düster und schwer sie sich für Jahre auch anlassen wird. Das ist mutig. Es ist sogar viel mutiger als der betörte Fanatismus, mit dem eure Jugend in Waffen heute noch den >heiligen< - ach, den längst von Lüge und Verbrechen so völlig entheiligten und besudelten deutschen Boden verteidigen zu sollen glaubt. Aber eins tut not für den Neubeginn. Es gibt für die Aussöhnung mit der Welt eine Vorbedingung, an deren Erfüllung jede moralische Verständigung mit anderen Völkern geknüpft ist und ohne deren Erfüllung ihr Deutschen nie begreifen werdet, was euch geschieht. Das ist die klare Einsicht in die Unsühnbarkeit dessen, was ein von schändlichen Lehrmeistern zur Bestialität geschultes Deutschland der Menschheit angetan hat; es ist die volle und rückhaltlose Kenntnisnahme entsetzlicher Verbrechen, von denen ihr tatsächlich heute noch das Wenigste wißt, teils weil man euch absperrte, euch gewaltsam in Dummheit und Dumpfheit bannte, teils weil ihr aus dem Instinkt der Selbst¬schonung das Wissen um dieses Grauen von eueren Gewis¬sen fernhieltet. Es muß aber in euer Gewissen eindringen, wenn ihr verstehen und leben wollt, und ein gewaltiges Aufklärungswerk, das ihr nicht als Propaganda mißachten dürft, wird nötig sein, um euch zu Wissenden zu mache. Was eine Schandphilosophie vom schmutzigsten Dünkel eure Machthaber instandgesetzt hat zu tun, was sie durch eurer Söhne Hände, durch eure Hände getan haben, ist unglaubwürdig, aber es ist wahr. Weißt du, der mich jetzt hört, von Maidanek bei Lublin in Polen, Hitlers Vernichtungslager? Es war kein Konzentrationslager, sondern eine riesenhafte Mordanlage. Da steht ein großes Gebäude aus Stein mit einem Fabrikschlot, das größte Krematorium der Welt. Eure Leute hätten es gern rasch noch vernichtet, als die Russen kamen, aber größtenteils steht es, ein Denkmal, das Denkmal des Dritten Reiches. Mehr als eine halbe Million europäischer Menschen, Männer, Frauen und Kinder, sind dort in Gaskammern mit Chlor vergiftet und dann verbrannt wor
den, vierzehnhundert täglich. Tag und Nacht war die Todesfabrik in Betrieb, ihre Kamine rauchten immer. Schon war ein Erweiterungsbau begonnen ... Die Schweizer Flüchtlingshilfe weiß mehr. Ihre Vertrauensmänner sahen die Lager von Auschwitz und Birkenau. Sie sahen, was kein fühlender Mensch zu glauben bereit ist, der's nicht eben mit Augen gesehen: die Menschenknochen, Kalkfässer, Chlorgasröhren und die Verbrennungsanlage, dazu die Haufen von Kleidern und Schuhen, die man den Opfern ausgezogen, viele kleine Schuhe, Schuhe von Kindern, wenn du, deutscher Landsmann, du, deutsche Frau, es hören magst. Vom April 1942 bis zum April 1944 sind allein in diesen beiden deutschen Anstalten eine Million siebenhundertfünfzehntausend Juden ermordet worden. Woher die Zahl? Aber eure Leute haben Buch geführt, mit deutschem Ordnungssinn! Man hat die Registratur des Todes gefunden; dazu Hunderttausende von Pässen und Personalpapieren von nicht weniger als zweiundzwanzig Nationalitäten Europas. Buch geführt haben diese Verblödeten auch über das Knochenmehl, den aus diesem Betrieb gewonnenen Kunstdünger. Denn die Überreste der Verbrannten wurden gemahlen und pulverisiert, verpackt und nach Deutschland geschickt zur Fertilisierung des deutschen Bodens, - des heiligen Bodens, den deutsche Heere danach noch verteidigen zu müssen, verteidigen zu dürfen glauben gegen Entweihung durch den Feind!
Ich habe nur ein paar Beispiele gegeben von dem, was euch zu erfahren bevorsteht. Die Geiselerschießungen, der Gefangenenmord, die im besetzten Europa vorgefundenen Folterkammern der Gestapo, die Blutbäder unter der russischen Zivilbevölkerung, die teuflische Entvölkerungspolitik der Nazis in allen Ländern, damit die Herrenrasse immer die numerisch überlegene sei, das geplante, gewollte, herbeigeführte Kindersterben in Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Griechenland und besonders in Polen: nicht einmal aufzählen kann man es in ein paar Minuten, was alles NaziDeutschland den Menschen, der Menschheit angetan. Deutsche, ihr sollt es wissen. Entsetzen, Scham und Reue ist das Erste, was not tut. Und nur ein Haß tut not: der auf die Schurken, die den deutschen Namen vor Gott und der ganzen Welt zum Greuel gemacht haben.
"Deutsche Hörer!
Wäre nur dieser Krieg zu Ende! Wäre nur schon geschehen, was geschehen muß und einmal geschehen wird, wie es nun anfangs auch aussehen möge! Wären die grauenhaften Menschen erst beseitigt, die Deutschland hierhin gebracht haben, und könnte man anfangen, an einen Neubeginn des Lebens, an ein Forträumen der Trümmer, der inneren und äußeren, an den allmählichen Wiederaufbau, an eine verständige Aussöhnung mit den anderen Völkern und ein würdiges Zusammenleben mit ihnen zu denken! - Ist es das, was ihr wünscht? Spreche ich damit eure Sehnsucht aus? Ich glaube es. Ihr seid des Todes, der Zerstörung, des Chaos übersatt, wie sehr euer Heimlichstes zeitweise danach verlangt haben möge. Ihr wollt Ordnung und Leben, eine neue Lebensord¬nung, wie düster und schwer sie sich für Jahre auch anlassen wird. Das ist mutig. Es ist sogar viel mutiger als der betörte Fanatismus, mit dem eure Jugend in Waffen heute noch den >heiligen< - ach, den längst von Lüge und Verbrechen so völlig entheiligten und besudelten deutschen Boden verteidigen zu sollen glaubt. Aber eins tut not für den Neubeginn. Es gibt für die Aussöhnung mit der Welt eine Vorbedingung, an deren Erfüllung jede moralische Verständigung mit anderen Völkern geknüpft ist und ohne deren Erfüllung ihr Deutschen nie begreifen werdet, was euch geschieht. Das ist die klare Einsicht in die Unsühnbarkeit dessen, was ein von schändlichen Lehrmeistern zur Bestialität geschultes Deutschland der Menschheit angetan hat; es ist die volle und rückhaltlose Kenntnisnahme entsetzlicher Verbrechen, von denen ihr tatsächlich heute noch das Wenigste wißt, teils weil man euch absperrte, euch gewaltsam in Dummheit und Dumpfheit bannte, teils weil ihr aus dem Instinkt der Selbst¬schonung das Wissen um dieses Grauen von eueren Gewis¬sen fernhieltet. Es muß aber in euer Gewissen eindringen, wenn ihr verstehen und leben wollt, und ein gewaltiges Aufklärungswerk, das ihr nicht als Propaganda mißachten dürft, wird nötig sein, um euch zu Wissenden zu mache. Was eine Schandphilosophie vom schmutzigsten Dünkel eure Machthaber instandgesetzt hat zu tun, was sie durch eurer Söhne Hände, durch eure Hände getan haben, ist unglaubwürdig, aber es ist wahr. Weißt du, der mich jetzt hört, von Maidanek bei Lublin in Polen, Hitlers Vernichtungslager? Es war kein Konzentrationslager, sondern eine riesenhafte Mordanlage. Da steht ein großes Gebäude aus Stein mit einem Fabrikschlot, das größte Krematorium der Welt. Eure Leute hätten es gern rasch noch vernichtet, als die Russen kamen, aber größtenteils steht es, ein Denkmal, das Denkmal des Dritten Reiches. Mehr als eine halbe Million europäischer Menschen, Männer, Frauen und Kinder, sind dort in Gaskammern mit Chlor vergiftet und dann verbrannt wor
den, vierzehnhundert täglich. Tag und Nacht war die Todesfabrik in Betrieb, ihre Kamine rauchten immer. Schon war ein Erweiterungsbau begonnen ... Die Schweizer Flüchtlingshilfe weiß mehr. Ihre Vertrauensmänner sahen die Lager von Auschwitz und Birkenau. Sie sahen, was kein fühlender Mensch zu glauben bereit ist, der's nicht eben mit Augen gesehen: die Menschenknochen, Kalkfässer, Chlorgasröhren und die Verbrennungsanlage, dazu die Haufen von Kleidern und Schuhen, die man den Opfern ausgezogen, viele kleine Schuhe, Schuhe von Kindern, wenn du, deutscher Landsmann, du, deutsche Frau, es hören magst. Vom April 1942 bis zum April 1944 sind allein in diesen beiden deutschen Anstalten eine Million siebenhundertfünfzehntausend Juden ermordet worden. Woher die Zahl? Aber eure Leute haben Buch geführt, mit deutschem Ordnungssinn! Man hat die Registratur des Todes gefunden; dazu Hunderttausende von Pässen und Personalpapieren von nicht weniger als zweiundzwanzig Nationalitäten Europas. Buch geführt haben diese Verblödeten auch über das Knochenmehl, den aus diesem Betrieb gewonnenen Kunstdünger. Denn die Überreste der Verbrannten wurden gemahlen und pulverisiert, verpackt und nach Deutschland geschickt zur Fertilisierung des deutschen Bodens, - des heiligen Bodens, den deutsche Heere danach noch verteidigen zu müssen, verteidigen zu dürfen glauben gegen Entweihung durch den Feind!
Ich habe nur ein paar Beispiele gegeben von dem, was euch zu erfahren bevorsteht. Die Geiselerschießungen, der Gefangenenmord, die im besetzten Europa vorgefundenen Folterkammern der Gestapo, die Blutbäder unter der russischen Zivilbevölkerung, die teuflische Entvölkerungspolitik der Nazis in allen Ländern, damit die Herrenrasse immer die numerisch überlegene sei, das geplante, gewollte, herbeigeführte Kindersterben in Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Griechenland und besonders in Polen: nicht einmal aufzählen kann man es in ein paar Minuten, was alles NaziDeutschland den Menschen, der Menschheit angetan. Deutsche, ihr sollt es wissen. Entsetzen, Scham und Reue ist das Erste, was not tut. Und nur ein Haß tut not: der auf die Schurken, die den deutschen Namen vor Gott und der ganzen Welt zum Greuel gemacht haben.
- Hotzenplotz
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-Anscheinend gab es vor Januar 1945, also der Befreiung der "Vernichtungslager", keine auch nur halbwegs glaubwürdigen Hinweise auf Massenvernichtungen - sonst hätte Mann sie gewiss gebracht.
-Auch zu diesem Zeitpunkt sind praktisch alle Informationen über die Lager nach heutiger Auffassung falsch. Das zeigt, dass zumindest die ersten Behauptungen von Massenvernichtungen auf Lügen beruhten.
-Auch zu diesem Zeitpunkt sind praktisch alle Informationen über die Lager nach heutiger Auffassung falsch. Das zeigt, dass zumindest die ersten Behauptungen von Massenvernichtungen auf Lügen beruhten.
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