Unterlagen des Auschwitz-Prozesses sind UNESCO-Weltdokumentenerbe
31. Oktober 2017
Die UNESCO zeichnet die Verfahrensunterlagen und Tonbandaufnahmen des ersten Frankfurter Auschwitz-Prozesses (1963 bis 1965) als Weltdokumentenerbe aus.
Das UNESCO-Komitee tagte vom 24. bis 27. Oktober in Paris über die Aufnahme weiterer Dokumente in das «Gedächtnis der Welt». Am Montag, den 30. Oktober, fiel die Entscheidung: Der Frankfurter Prozess rückte den millionenfachen Mord an Juden, Minderheiten, politischen Gegnern und Angehörigen der Völker Europas während der nationalsozialistischen Diktatur in Deutschland erstmals in seinem gesamten Umfang in das Blickfeld der Öffentlichkeit. Die Frankfurter Prozessunterlagen setzten sich zusammen aus insgesamt 454 Aktenbänden sowie 103 Tonbändern. In den Verfahrensunterlagen finden sich die
1958 begonnenen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Stuttgart sowie die von den Frankfurter Staatsanwälten im Jahr 1959 begonnenen Ermittlungsverfahren und Unterlagen einschliesslich Zeugenaussagen. Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik reisten deutsche Staatsanwälte im Rahmen ihrer Ermittlungen 1960 über den «Eisernen Vorhang» hinweg ins polnische Auschwitz. Während 134 Verhandlungstagen vernahm das Gericht 360 Personen, darunter 221 Überlebende des KZ Auschwitz, aber auch anderer Lager sowie 85 SS-Zeugen. Ferner wurden auch die Stellungnahmen von Sachverständigen, Plädoyers der Staatsanwaltschaft, Nebenklagevertreter und Verteidigung, Schlussworte der Angeklagten und die mündliche Urteilsverkündung des Vorsitzenden Richters Hans Hofmeyer aufgezeichnet. Die Tonband-Aufzeichnungen der Hauptverhandlung waren ursprünglich nur als «Stützung des Gedächtnisses des Gerichts» vorgesehen. Die Anzeige einer Privatperson gegen SS-Oberscharführer Wilhelm Boger hatte den ersten Frankfurter Auschwitz-Prozess ausgelöst, der am 20. Dezember 1963 im Frankfurter Rathaus Römer mit der Anklage gegen 22 SS-Angehörige seinen Auftakt nahm.
Prof. Dr. Joachim-Felix Leonhard, Vorsitzender des deutschen Nominierungskomitees für das UNESCO-Weltdokumentenerbe, erklärt: «Die Verfahrensunterlagen und Tonband-Aufnahmen des ersten Frankfurter Auschwitz-Prozesses belegen das vom NS-Regime etablierte System der gezielten Tötung. Dabei beschreiben die Opfer eindringlich in eigenen Worten die Mordmaschinerie von Auschwitz. Sie erinnern uns daran, was passieren kann, wenn zu Viele Unrecht schweigend hinnehmen. Diese Eintragung gibt uns den Auftrag, heute und in Zukunft Hass und Ausgrenzung entschieden entgegenzutreten».
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